(R)echt (zu) zügig

Diese Situation kennen insbesondere die Fahrer:innen von LKW und Omnibussen zur Genüge: Beim Ausscheren zu einem Überholvorgang auf der Autobahn kommt von hinten plötzlich ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit angefahren. Was tun? Überholvorgang abbrechen? Oder darauf vertrauen, dass der Heranfahrende seine Geschwindigkeit rechtzeitig reduziert?

 

Wie es aussieht, wenn es bei solch einem Manöver zum Unfall kommt, damit hat sich das Oberlandesgericht (OLG) München mit einem Urteil vom 01.06.2022 beschäftigt.

 

 

 

Was war passiert

 

Auf einer Autobahn kam es im August 2019 im Zusammenhang mit einem Spurwechsel zu einem Verkehrsunfall. Der Spurwechsler hatte den Unfall maßgeblich verursacht. Strittig war, ob dem Unfallgeschädigten eine Mithaftung anzulasten sei, weil er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h um 70 km/h überschritten hatte. Ein Sachverständiger hatte ausgeführt, dass der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Aus diesem Grund hatte die Versicherung des Spurwechslers nur einen Teil des Schadens bezahlt und die Sache landete vor Gericht.

 

 

 

 

Die Entscheidungen

 

In erster Instanz hatte das Landgericht München I entschieden, dass der beklagte Spurwechsler allein für den Unfall verantwortlich sei. Ihm sei ein so großes Verschulden anzulasten, so dass die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vollständig zurücktrete. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein.

Das Oberlandesgericht München entschied in zweiter Instanz zu Gunsten des Spurwechslers. Dem Kläger sei eine Mithaftung in Höhe von 25 % anzulasten. Zwar treffe dem Spurwechsler bei einem Verstoß gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 7 StVO im Regelfall die Alleinhaftung, da die einfache Betriebsgefahr des anderen Kraftfahrzeugs hinter sein schwerwiegendes Verschulden zurücktrete.

In seiner Begründung wies das Oberlandesgerichts darauf hin, dass jedoch die deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 70 km/h als betriebsgefahrerhöhend für den Kläger zu werten sei. Dies und die von einem Sachverständigen ermittelte Tatsache, dass der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre, begründe eine Mithaftung von 25%. „Wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt und die Geschwindigkeit unterschätzt“, zitierten die Richter ein u.a. Urteil des BGH aus dem Jahr 1992. Auch wenn die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit keinen Schuldvorwurf begründe, weil ja keine faktische Geschwindigkeitsbegrenzung vorlag,  bedeute dies nicht die rechtliche Irrelevanz für das Haftungsrecht. (OLG München v. 11.06.2022; 10 U 7382/21 e)

 

 

Unsere Einschätzung

 

Das OLG liegt richtig. Auch wenn dem Schnellfahrer kein Verschulden angelastet werden kann, da er nicht gegen Regelungen verstoßen hatte, wäre der Unfall auch für ihn durch Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen. Insoweit hat er auch einen Anteil am Zustandekommen des Unfalls zu tragen.

Yvonne Goy

Fachwirtin für Versicherungen und Finanzen Schadenregulierung

Für weitere Informationen steht Ihnen Frau Yvonne Goy gerne zur Verfügung.

 

Tel. 0931 980070 43

yvonne.goy@dittmeier.de

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